Ein kleines Stück Schokolade

Mit dieser Geschichte wünschen wir Ihnen eine erfüllte Weihnachtszeit. Möge Achtsamkeit und Schokolade in 2025 weiterhin unsere Begleiter sein, die uns auch in schwierigen Zeiten Hoffnung schenken, um weiter zu machen.

12/24/20242 min read

Francine Cristophe

In dieser Weihnachtszeit möchten wir Ihnen eine Geschichte teilen, die sich während dem 2. Weltkrieg

zugetragen hat. Sie entstammt der Feder von Francine Christoph, die schon als Jugendliche ihre

Erinnerungen in ersten Skizzen festgehalten hatte.

Francine wurde im August 1933 geboren und wuchs in einer säkularen jüdischen Familie in Paris auf. Sie

war bei Kriegsbeginn sechs Jahre alt. Noch gut kann sie sich an den gelben Stern erinnern und meinte

damals zu Maman "c'est grand", "ganz schön gross für ein Kind".

Francine war elf Jahre alt als sie mit ihrer Mutter Marcelle als Kriegsgefangentochter aus Frankreich ins

"Austauschlager" nach Bergen-Belsen kam. Hunger, Durst, Krankheit, Kälte und Tod wurden zu täglichen

Begleitern. Bei der Deportation hatten die Frauen alle irgendetwas mitnehmen können. "Sieh mal", sagte

die Mutter, "ich habe noch ein wenig Schokolade. Die verstecke ich für den Tag, wenn Du es dringend

brauchst, dann kann der Zucker dir helfen". "Oui, Maman" nickte Francine. Und all das ist tatsächlich

geschehen.

Unter den Frauen in der Baracke war eine Schwangere. Sie war furchtbar dünn. Sie hiess Hélène.

Irgendwann setzten bei Ihr die Wehen ein. Sie musste auf die Krankenstation und die Frauen flüsterten "die

Geburt wird schwierig für sie und es ist wahrscheinlich, dass sie sterben könnte. Francine sagte "Maman,

erinnerst du noch die Schokolade? Ich möchte Sie gern Hélène geben". So bekam die Gebärende

wenigstens für einen Moment eine kleine, unerwartete Stärkung. Hélène brachte ein Baby zur Welt und

überlebte. Das Kind, ein ganz, ganz kleines Mädchen starb auch nicht. Es war ganz still und weinte nie.

Erst als sechs Monate später das Lager befreit wurde schrie das Baby lauthals, so als ob es grad erst jetzt

geboren worden wäre.

Francine überlebte, studierte Psychologie und wurde eine gute Schriftstellerin, wie schon ihr Vater, der

Journalist und Autor war. Inzwischen ist sie eine ältere weisshaarige Dame. Sie beschäftigte sich viel mit

der Frage, was eigentlich gewesen wäre, wenn Deportierte damals nach der Befreiung 1945 aus dem KZ

therapeutisch beraten worden wären. Sie organisierte 2003 dazu einen Kongress der viel Aufmerksamkeit

erfuhr. Es kamen Überlebende, Psychologen, Therapeutinnen, Psychoanalytiker, Ärztinnen. Francine

erzählt, dass es "exzellent, so interessant war und eine Menge Ideen aufkamen".

Am Nachmittag trat eine Frau ans Mikrofon. Sie stellte sich vor als Psychiaterin aus Marseille und sagte

"Bevor ich meinen Vortrag beginne, habe ich etwas für Francine, für Francine Christoph". Sie suchte in

den Taschen Ihres Blazers, zog eine Tafel Schokolade heraus und sagte zu Francine: "Je suis le Bébé",

"Ich bin das Baby das im KZ zur Welt kam".